Gestern abend saßen wir gemütlich beim Abendessen auf der Terrasse, als ich plötzlich in den Himbeeren eine etwas seltsame Bewegung wahrnahm. Beim genaueren Hinschauen konnte man ein Vögelchen erkennen, welches aber merkwürdigerweise weder wegflog oder versuchte, davon zu hüpfen: tatsächlich ein kleiner Mauersegler (Apus apus), der sich da auf einer Himbeerrute festkrallte.
Weil seit ein paar Jahren bei uns die Mausersegler im Sommer regelmäßig auf dem Firstbalken über der Terrasse nisten (nachdem die dort im Frühjahr wohnenden Spatzen ausgezogen sind), hatte ich mich schon vorher ein bißchen über diese Vögel informiert. Daher wusste ich sofort, daß ein Mauersegler, der bis auf die Brutzeit sein gesamtes Leben in der Luft verbringt, auf dem Boden (oder in den Himbeeren) nichts zu suchen hat.
Eine kurze Recherche im Internet ergab, daß es sich ziemlich sicher um einen Mauersegler-Jungvogel handelt, daß man ihn NICHT in die Luft werfen soll, um ihm beim Start zu helfen (auf diese Idee wäre ich sowieso nicht gekommen), daß man ihn NICHT mit Hackfleisch, Katzenfutter und Ähnlichem füttern soll und daß er mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit Hilfe braucht. Äh ja, Hilfe, Sonntag abend um halb neun…
Bei der Deutschen Gesellschaft für Mauersegler e. V. mit Sitz in Frankfurt fand ich eine Telephonnummer und habe einfach mal angerufen. Und es ging tatsächlich jemand dran! Eine nette Dame wollte zuerst wissen, ob es sich wirklich um einen Mauersegler handelt, oder ob ich ihn vielleicht mit einer Amsel oder Schwalbe verwechseln würde. Nun ja, wäre der Vogel ein wenig jünger gewesen, wäre es vielleicht schwieriger geworden, aber ich war mir dann doch ziemlich sicher.
Ich sollte den Mauersegler vorsichtig aus den Himbeeren herausnehmen (was erstaunlich einfach war – aber ein Versuch, ihn zum selbständigen Wegfliegen zu bewegen, blieb erfolglos) und in einem passenden Karton unterbringen (natürlich mit Luftlöchern!). Wenn ich es richtig verstanden habe, wäre sogar ein Kurierfahrer vorbeigekommen, aber wir haben dann selbstverständlich angeboten, den Vogel selbst nach Frankfurt zu bringen.
(Nicht ohne vorher noch ein letztes Photo gemacht zu haben.)
Kaum angekommen, wurde er oder sie (das wissen übrigens alleine die Mauersegler) sofort fachmännisch untersucht und als soweit (mit dem Auge ersichtlich) gesund eingestuft: ein fast erwachsener Jungvogel, flügge, mit 42,3 g auf der rundlicheren Seite (Normalgewicht für ausgewachsene Vögel: 40-45 g), freundlich und nicht aggressiv. Eine tierärztliche Untersuchung wurde wahrscheinlich heute durchgeführt, aber wenn da nichts Neues herausgekommen ist, ist es wahrscheinlich, daß der Vogel sich bei seinen ersten Flugversuchen überanstrengt hat oder irgendwo dagegen gedotzt ist und jetzt Muskelkater oder ‚blaue Flecken‘ hat und deswegen nicht fliegen konnte oder wollte. Wenn alles gut geht, kann er (oder sie) wahrscheinlich schon nächste Woche wieder freigelassen werden.
Wir durften einen kurzen Blick in die ‚Auffangstation‘ werfen: dort werden gerade 200(!) junge und ältere Mauersegler gepflegt und liebevoll aufgepäppelt, unter chronischer Unterbesetzung der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sie (die Mauersegler, nicht die Mitarbeiter ) sitzen in in kleinen Gruppen in großen, gewärmten Kästen. Nebenan ist ein Flugraum, in dem die einzelnen Mauersegler ihre Flugfähigkeiten trainieren können. Regelmäßig werden gesunde Vögel wieder in die Freiheit entlassen, die dann auch häufig direkt von den Artgenossen begrüßt werden.
So sind wir dann beruhigt wieder heimgefahren. In den nächsten Tagen werde ich mal nachfragen, was denn aus unserem kleinen Mauersegler geworden ist.
P.S.: Vielen Dank für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Mauersegler-Klinik für die Mühe, die sie sich mit diesen bedrohten Tieren geben.
Nachtrag 25.07.2012:
Eben habe ich bei dem Mauersegler-Verein angerufen: Der/die Kleine ist schon am Montag mittag wieder freigelassen worden. Es war wohl tatsächlich nichts Ernstes!
kommt öfters vor, dass sich Vögel den Kopf „eindotzen“. Wir hatten mal einen Uhu, der nach dem Flug ins Küchenfenster sich auf dem Fensterbrett erst 20 Minuten erholen musste, bevor er wieder weggeflogen ist.
schöner beitrag schöner beitrag 🙂 das erinnert mich an den tag als ich einen jungen falken verletzt gefunden habe. so viel engagement für die natur find ich gut 🙂
Ach schön, Sus – das geht beim Lesen ans Herz. Danke, dem/der Kleinen geht’s bestimmt bald wieder gut.
Wir hatten mal einen kleinen Buntspecht, der gegen ein Fenster gedotzt (das Wort gefällt mir) ist und auch ca. 30 Minuten brauchte, bis er wieder weiterfliegen konnte. Da haben wir auch schon immer überlegt, was wir tun, wenn er nicht mehr weiter fliegt. Als erstes die Katzen fern halten, klar. 🙂
Toll, dass es solche Stationen und solche Tierfreunde gibt.
@Robert: Das passiert bei uns meist den Amseln. Der Mauersegler hatte aber wahrscheinlich was am Flügel oder an der Schulter, so wie er sich bewegt hat.
@Julia: Wow!
@Barbara: Ich dachte immer, Dotzen wäre hessisch. Diese kleinen Gummibälle (Flummies) heißen bei uns Dotzbälle. Aber wenn Robert es auch benutzt…
Liebe Grüße, Sus
P.S: Heute nachmittag rufe ich dort mal an.
Ist der Süß!
Och ist der Süß! Bei uns in der Gegend gibt es für Notfelle den Tier Rettungsdienst. Die kommen bei Wildtieren kostenlos mit ihrem umgebauten Krankenwagen vorbei und bringen die Tiere auch in entsprechende Auffangstationen.
Vor einigen Jahren hatten wir auch einmal einen jungen Mauersegler gefunden, der sich unter einem Auto verkrochen hatte.
Wir haben ihn dann ebenfalls in einen Auffangstation gebracht, dort wurde er ein paar Tage gepäppelt und dann ebenfalls in die Freiheit entlassen.
Schön, dass Eurem Findling nichts Ernstes passiert war!
Bei uns waren es die Amseln! Es gibt also noch mehr Leute, die sich um die heimlichen Bewohner ihres Gartens kümmern müssen! Bei uns sind es ständig die Amseln, die im Gebüsch in alle Seelenruhe ihre Nester bauen und die Brut pflegen. Die fühlen sich hier einfach wohl, nicht zuletzt deswegen, weil der Garten ganz natürlich ist. Die Vögel bedenken aber nie, das wir drei Hunde haben, die natürlich auf die Jungvögel aufmerksam werden. Und da die Amselbabys ja am Anfang noch nicht fliegen können, hopseln die dann auf der Wiese umher. Das bedeutet für uns: Immer aufpassen, wenn wieder mal eine Brut aus dem Nest schlüpft. Und obwohl sich diese Gefahr bei den Amseln eigentlich schon herumgesprochen haben müsste, brüten sie jedes Jahr aufs Neue. Toi, toi, toi, bis jetzt waren wir immer schneller als die Hunde! 🙂 LG, Volker